video works

"on the fragilities of borders"

2021, videoprojection, Germany, 10’10’’, HD-video, 16:9, with sound

Ausgehend von dem symbolträchtigen Kniefall Willy Brandts am Ehrenmal für die Toten des Warschauer Ghettos beschäftigen sich Ana Baumgart und Ina Schoof mit zeitgeschichtlichen bzw. zeitgenössischen politischen Gesten. Politische Gesten erfordern Publikum und Rezeptionen, Begegnungen sind Gesten damit immanent. Begegnungen wiederum bedeuten Nähe, gleichzeitig bleiben immer Grenzen bestehen - oder werden gezogen. Baumgart und Schoof stellen allseits bekannte, oftmals ikonisch gewordene politische Gesten nach und erzeugen dabei diverse Ambivalenzen: sie abstrahieren und personalisieren, rekonstruieren und dekonstruieren, depolitisieren und repolitisieren die Ursprungsgesten. Sie ersetzen und überschreiben die mit den Gesten verbundenen ursprünglichen Bilder durch ihre eigenen, reinterpretieren und aktualisieren damit Zeitgeschichte in der Gegenwart. Der ursprünglichen politischen Dimension fügen sie weitere Sinnebenen hinzu - ästhetische, gesellschaftliche, persönliche. Die politischen Gesten werden von ihrer klaren Mitteilung und eindimensionalen Zielrichtung befreit, Eindeutigkeiten gibt es nicht mehr.

Die den Gesten innewohnenden Begegnungen können als persönliches Treffen zweier Individuen verstanden werden. Die in schwarz und weiß gekleideten Protagonistinnen wiederum können - insbesondere mit den von ihnen geschwenkten Flaggen in gleicher Farbe - stellvertretend für Gruppen, Communities, Gesellschaften, Staaten stehen. Das Politische wird vermeintlich persönlich, das vermeintlich Persönliche wiederum politisch. 

Sind die meisten der politischen Gesten durch die historischen Akteure männlich konnotiert, erzeugen Baumgart und Schoof als Protagonistinnen gleichzeitig eine weibliche Perspektive. Sie eignen sich die mit männlichen Akteuren assoziierten Gesten an, die Bilder können damit auch als feministisches Statement, als weibliche Repräsentation und Partizipation, als female empowerment gelesen werden.

Nähe und Distanz zwischen den Protagonistinnen wechseln je nach Geste. Allen Gesten scheint als Konstante allerdings ein respektvoller Umgang, ein respektvolles Miteinander innezuwohnen. Dem stehen Bilder von rauschenden Fahnen im Wind und den - vermeintlich - aggressiv aufeinander zu rennenden Kontrahentinnen entgegen. Die Protagonistinnen agieren allein in einem flächig betonierten Brachland oder am Strand vor dem Meer als Elementargewalt. Gemeinsam steht jede für sich allein, Orientierung oder Schutz bietende Gebäude oder gar andere Menschen gibt es nicht.

Auch der in der Postproduktion verfremdete Sound irritiert und erzeugt zusammen mit Sequenzen der Stille einen Eindruck von Isolation, Distanz, Unruhe, Nervosität. Verstärkt werden diese Eindrücke durch die Redesequenzen, in denen sich die Protagonistinnen kaum noch identifizierbare Fragmente aus berühmten zeitgeschichtlichen politischen Reden zurufen. Wie auch die Bildsequenz und -montage erinnert dies an Stilmittel aus der elektronischen Musik, an Cuts, Remixes und Edits.

All die Sound- wie Bildelemente bilden allerdings kein harmonisches, gefälliges Ganzes. Es überwiegt Irritation, dem Betrachter bleiben Fragen und Zweifel. Die Ambivalenz erweist sich als durchgängiges, dominantes Element: Szenen vermeintlich positiver Kommunikation und respektvoller Begegnung stehen solche von potentieller Nicht- bzw. Fehlkommunikation, von unterschwelliger Aggression und Differenz gegenüber. Der Ausgang der durch die Gesten und Reden erzeugten Begegnungen bleibt offen.  

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